Der Blick der Besucher*innen des Ilmparks streift durch das Grün der Parkbäume oder das alte Sandsteinportal und fällt dort im Frühjahr 2021 auf ein Mauerwerk aus Holz. Es bildet einen Kubus, der nahe der Ruine und doch in respektvollem Abstand die ehemalige Ausdehnung des Tempelherrenhauses zitiert.
Die Konstruktion aus unterschiedlichen Holzbausteinen, erzählt von den Bäumen des Ilmparks, ihrer Pflege und ihrer Bedeutung als besonderes Baumaterial.
Das Grüne Labor wurde geplant und gebaut als temporärer Pavillon, der in Weimars Ilmpark von April bis Oktober 2021 als Informationszentrum, Aufenthaltsort und Vermittlungswerkstatt rund um das Themenjahr Neue Natur diente. Gemeinsam mit den Beauftragten der Klassik Stiftung Weimar für Kulturwissenschaft und Denkmalpflege als auch den Parkpfleger*innen wurde ein ganzheitliches Konzept entwickelt.
Beziehung und Kontrast zum zerstörten Tempelherrenhaus, die Kommunikation von Besonderheiten der historischen Parkpflege, sowie Sensibilisierung für die Auswirkungen des Klimawandels im Park bilden die gestalterisch-konzeptionellen Grundpfeiler für dieses wiederverwendbare Gebäude aus Parkholz, welches im Folgejahr an einem anderen Standort in Weimar wieder errichtet wurde.
Grünes Labor
2021
Themenjahr Neue Natur Klassik Stiftung Weimar
Konzept & Umsetzung: Susann Paduch, Hannes Schmidt, Julius Tischler; Umsetzung: Till Teubner, Sebastian Wanke, Jasper Andresen u.v.m.
Weimar
Leipzig
Klassik Stiftung Weimar
Jakob Müller, Till Teubner, Sebastian Wanke, Susann Paduch, John Lindner, Jannis Uffrecht
NOUS Film
PROZESS
Durch Trockenheit, Pilzbefall und Stürme müssen beträchtliche Mengen an Bäumen im Ilmpark gefällt werden, die aufgrund von Wuchsform und Schadstellen nicht als klassisches Nutzholz verwendet werden können und bisher als Brennholz enden. Im Sägewerk konfektioniert, werden die Bohlen anschließend individuell verarbeitet.
75 Festmeter Holz wurden in der eigenen Werkstatt in Leipzig zu Bauklötzen unterschiedlicher Länge zu einem kompletten Bausatz verarbeitet. Die Bauteile sind großteils palletierbar und erfüllen somit die speziellen Anforderungen der Anlieferung im Flächendenkmal Ilmpark.
Die Bausteinformate basieren auf dem im Möbelbau verbreiteten System 32 - jeder Baustein besitzt eine Länge von einem vielfachen von 32cm. Jeder Stein ist beidseitig mit einer Reihe Sacklöcher im 16cm Abstand versehen, wovon bestimmte zu Durchgangslöchern aufgebohrt werden. Sondersteine besitzen große Sackbohrungen, die als Aufnahme für die Einschlagmuttern dienen, in denen die Gewindestangen fixiert werden.
Die Bausteine werden ringweise in einer Holzsorte verlegt, um gleichmäßige Tragkraft zu gewährleisten. Die Bausteine werden auf die fixierten Gewindestangen aufgefädelt und in die Sacklöcher werden kleinere Holzdübel gesteckt, als Verlegehilfe und gegen Ausscheren der Blöcke gegeneinander.
Ringanker aus fünf Schichten längerer Bauteile wechseln sich mit „Füllmauerwerk“ aus kürzeren Formaten ab - diese Blöcke zeigen Holzqualitäten, die keiner herkömmlichen Holzklassifizierung entsprechen.
Auf Druck belastet und zwischen jeweils zwei Ringankern verspannt wird die statische Belastbarkeit des Mauerwerks erreicht.
Die verspannenden Gewindestangen zwischen den Ringankern bleiben zugänglich und können bei Bedarf nachgespannt werden.
Durch das alte Sandsteinportal erscheint eine Tür in einem Mauerwerk aus Holz – ein farbiges Mauerwerk aus Holzsteinen, das erzählt von den Bäumen des Ilmparks, ihrer Pflege und ihrer Bedeutung als ganz besonderes Baumaterial.
Das Grüne Labor im Weimarer Ilmpark ist Informationszentrum, Veranstaltungsort und Vermittlungswerkstatt rund um das Thema Mensch & Natur. Ein nachhaltiges, informatives und wiederverwendbares Gebäude, welches das in der Parkpflege anfallende Holz auf neue Art nutzbar macht und veranschaulicht.
Das Grüne Labor wurde im Rahmen des Themenjahrs „Neue Natur“ für die Klassik Stiftung Weimar entwickelt und am Standort des ehemaligen Tempelherrenhauses im Park an der Ilm umgesetzt. Grundlage des Entwurfes war unsere Analyse der Prozesse im Ilmpark: pflegerische Maßnahmen, verwendbares Material und Einflüsse durch mit dem Klimawandel zusammenhängende Wetterphänomene wie Stürme und Trockenperioden. Diese und weitere Belastungen führen dazu, dass Äste geschnitten und Bäume gefällt werden müssen, um die Wege- und Verkehrssicherheit für die Besucher*innen zu gewährleisten. Diese nicht als Nutzholz kultivierten Bäume eignen sich nicht für die klassische Holzverarbeitung und werden vorrangig verfeuert.
Aber jedes unverbrannte Stück Holz speichert CO2. Um solches Holz nutzbar zu machen, braucht es einerseits ein Format der Bauteile, was der schwankenden Holzqualität entspricht und andererseits eine Konstruktion, um diese Schwankungen auszugleichen.
Daher wird das Holz für den Pavillon so zugeschnitten, dass wesentlich mehr Material genutzt werden kann. Aufgrund der Konstruktion eines Mauerwerks, bei der die Bausteine auf Druck belastet werden, kann auch Holz mit Rissen, Astlöchern, Verwachsungen, Schädlingsspuren und Pilzbefall genutzt werden.
Die Bausteine werden mit reversiblen Holzdübeln gestapelt und mit lösbaren Gewindestangen gespannt; die Konstruktion ist zerstörungsfrei rückbaubar und aufgrund des Rasters, auf der die Bausteinlängen beruhen variabel wiederverwendbar. Unterschiedliche Holzsorten, wie sie in Park und umliegendem Waldgebiet angefallen sind, werden schichtweise verbaut; Eiche, Esche, Kiefer, Birke, Ahorn, Ulme und Buche. In ihrer Bandbreite an Farben und Strukturen funktionieren sie als dreidimensionales Materialarchiv, welches die Vorstellung von Holzqualitätsklassen aufdehnt und hinterfragt.
Grünes Labor
2021
Themenjahr „Neue Natur“ der Klassik Stiftung Weimar
Susann Paduch, Hannes Schmidt, Julius Tischler (Planung & Umsetzung); Till Teubner, Sebastian Wanke, Jasper Andresen u.v.m. (Umsetzung)
Weimar
Leipzig
Klassik Stiftung Weimar
April–Oktober
Mi–Fr 14–18 Uhr, Sa–So 12–18 Uhr
Jakob Müller, Till Teubner, Sebastian Wanke, Susann Paduch